Luft nach oben: Wann wird die ökonomische Bildung endlich ihren Platz in deutschen Klassenzimmern finden? (Foto: flockine/Pixabay)

BÜNDNIS ÖKONOMISCHE BILDUNG DEUTSCHLAND

HINTERGRUND

Ökonomische Bildung ist ein zentraler Bestandteil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung. Als Schlüssel zu Chancengerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe hilft sie Menschen dabei, sich in einer Vielzahl von Lebenssituationen zurecht zu finden, Zusammenhänge zu verstehen und Urteils-, Entscheidungs- und Handlungskompetenzen zu entwickeln. Dabei umfasst Ökonomische Bildung eine Vielzahl an Facetten: Finanzkompetenz genauso wie Verbraucherbildung, Studien- und Berufsorientierung, Entrepreneurship-Denken und ein Gesamtverständnis ökonomischer und wirtschaftspolitischer Zusammenhänge, das für die demokratische Teilhabe unerlässlich ist.

Wirtschaftliche Kompetenzen und eine ökonomische Perspektive sind notwendige Grundlagen für ein selbstbestimmtes, mündiges Leben. Ohne ein (auch) ökonomisch fundiertes Verständnis von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik lässt sich die zunehmend komplexer werdende Wirtschafts-, Arbeits- und Lebenswelt nicht hinreichend kompetent bewältigen. Zudem können die Strukturen und Funktionsweisen der modernen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaft nicht verstanden und reflektiert werden. Umgekehrt kann auch die Entschärfung der epochalen Schlüsselprobleme unserer Zeit ohne mündige (Wirtschafts-) Bürgerinnen und Bürger nicht gelingen. Ökonomische Bildung kann wichtige Beiträge zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit leisten, sei es die Klimafrage, die demographische Entwicklung oder die Globalisierung.

Wo steht Deutschland in Sachen ökonomische Bildung?

Jugendliche und Eltern in Deutschland bestätigen in Umfragen immer wieder, dass Wirtschaft und Finanzen im Schulunterricht aus ihrer Sicht zu wenig Raum einnehmen.  Schulbuch-Analysen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ökonomische Inhalte zwar in den Lehrplänen zu finden sind, darüber aber kaum Grundkenntnisse vermittelt werden, die zu einem ausgewogenen Verständnis ökonomischer Zusammenhänge führen (s. Institut der deutschen Wirtschaft Köln, „Unternehmer und Soziale Marktwirtschaft im Schulbuch“, 2010; Institut der deutschen Wirtschaft Köln in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Schulewirtschaft, „Unternehmer und soziale Marktwirtschaft in Lehrplan und Schulbuch. Der Beitrag gesellschaftswissenschaftlicher Schulbücher zur ökonomischen Bildung.“, 2011).

Die OECD hat die Empfehlung herausgegeben, dass die Länder sich eine nationale Strategie für Ökonomische Bildung geben sollen. Viele Länder haben das umgesetzt, Deutschland  bisher nicht. Auch an der PISA-Zusatzstudie zur Finanzbildung hat Deutschland sich bisher nicht beteiligt. Blickt man auf Nachbarländer wie beispielsweise die Niederlande, Polen oder Tschechien, so wird deutlich, dass Ökonomische Bildung dort einen viel größeren Stellenwert hat.

Konkrete Zahlen zum Stand der ökonomischen Bildung in Deutschland

Aktuelle Zahlen zum Stand der Ökonomischen Bildung in Deutschland liefert die vom Institut für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg im Auftrag der Flossbach von Storch Stiftung durchgeführte OeBiX-Studie. Diese beschreibt den Status quo der ökonomischen Bildung in Deutschland auf Landesebene, und zwar einerseits in den einzelnen Schulformen im gymnasialen und nicht-gymnasialen Bereich sowie andererseits in der Lehrkräfteausbildung. Die Studienergebnisse beider Untersuchungsgebiete fließen in den Gesamtindex Ökonomische Bildung in Deutschland (OeBiX) ein.

Damit steht erstmals eine solide Datenbasis zur Verfügung, die wissenschaftlich belegt, wie dringend die Ökonomische Bildung in Deutschland gestärkt werden muss. Denn die Kernaussagen sind deutlich:

  • Elf von 16 Bundesländern erfüllen nicht einmal 50 Prozent der Anforderungen, die man an ein Nebenfach stellen würde, das über drei Schuljahre hinweg mit zwei Wochenstunden unterrichtet wird.
  • Seit nunmehr 18 Jahren gelingt es in Deutschland nicht, den 2003 von einer Arbeitsgruppe von WMK, KMK, BDA, BDI, DIHK, ZDH und DGB geforderten Mindeststandard für ökonomische Bildungsinhalte in der Sekundarstufe I umzusetzen.
  • Auch in der Lehrkräftebildung bestehen sowohl hinsichtlich wirtschaftlicher Anteile im Studium als auch bei der Ausstattung mit fachdidaktischen Professuren große Defizite.

Vier Eckpunkte zur Stärkung der ökonomischen Bildung in Deutschland

Die großen Unterschiede, die zwischen den einzelnen Bundesländern zutage treten, machen eines sehr deutlich: Die Stärkung der Ökonomischen Bildung im deutschen Schulsystem ist nicht nur dringend geboten, sie ist auch möglich. Die Erfahrung zeigt, dass es hierfür keine Blaupause gibt, die ohne weiteres von einem Land auf das andere übertragen werden könnte. Es gibt aber erprobte Konzepte, viel Expertise und Erfahrungswerte, auf denen aufgebaut werden kann.

Mehr als 100 überwiegend institutionelle Mitglieder haben sich vor diesem Hintergrund zum Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland zusammengeschlossen. Getreu dem Motto „Voneinander lernen, Miteinander gestalten“ haben wir uns vorgenommen, auf allen Ebenen zur Stärkung der Ökonomischen Bildung beizutragen. Die Eckpunkte zur Stärkung der Ökonomischen Bildung in Deutschland, die am 29.11.2019 in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, geben dazu konkrete Handlungsempfehlungen.